Album der Woche: Souly – traence
Ein schwarzes T auf weißem Grund: traence. Um Soulys zweites lang ersehntes Studioalbum zu verstehen, lohnt es sich zuerst einen Blick in den Duden zu werfen. Als „dem Schlaf ähnlicher Dämmerzustand“ wird das entlehnte „Trance“ dort beschrieben. Die englische Herkunft geht mit „Hinübergehen (in den Tod)“ sogar noch einen Schritt weiter. Konsequent also, dass uns auf dem Introtrack „All white“ gleich mal die todgeglaubte GlaDOS aus Portal 2 begrüßt: „We both said a lot of things that you’re going to regret“. Wir gehen rein!
Soulys „traence“ beginnt mit Spongebob
Dann wären da natürlich noch die 90er Jahre, die aus Trance ein ganzes Musikgenre formten. Hypnotische Rhythmen, repetitive Melos und sphärische Flächen ließen Raum und Zeit verschwinden. Und da wären wir schon beim 12. September 2002 – jenem Tag an dem die ikonische Spongebob-Folge „Die Zeitmaschine“ das Licht der noch linearen TV-Welt entfachte. Für Thaddäus geht es erst in die Zukunft, dann die Vergangenheit und schließlich ins Nichts. Die Visualisierung von Thaddeus’ Nirvana war für Souly ein prägendes Bild im Albumprozess, wie er im Deutschrap Ideal Interview verrät: „Was kann reinkommen, um diesen Raum irgendwie zu füllen?“
Nicht alle fühlen Soulys Konzept sofort
Seit Ende Januar versorgte uns Luca Politano – so Souly bürgerlich – mit ingesamt sechs Filmrissen seines Konzeptalbums. Das Bossbaby-Releases erstmal sacken müssen, um auch den Mainstream abzuholen, ist in Soulys Diskografie nichts Neues. Bei den „traence“-Singles wurde die Lagerbildung doch schon deutlich. Da sind die Day Ones, die mit unter dafür sorgten, dass Soulys „tRaence touR 2025“ bereits letzten Herbst ohne eine einzige Hörprobe sold out ging. Der neue Sound und vor allem die Lyrics erschienen vielen als zu kryptisch. Dann wäre da die Sektion Deutschrap-Ist-Fresher-Denn-Je, die in jedem Frame und jeder Line bloße Kopien aus Übersee wahrnehmen. Und zuletzt natürlich die neuen Traence-Raver, die Sound und Ästhetik ad hoc fühlten. Dass dieser Zwiespalt auch bei Souly Spuren hinterließ, macht der Albumprozess deutlich. Schon vorab sprach er offen über Panikattacken und Selbstzweifel als Independent-Künstler sowie dem eigenen Drang zur Perfektion, welcher „traence“ ein ums andere Mal verschob, um wieder bei den ersten Versionen zu landen.
Der vergangene Release-Freitag sollte für viele Lagerwechsel gesorgt haben und beweist, dass Konzeptalben auch nach Konzept gehört und beurteilt werden sollten. Die ingesamt 16 Tracks (plus ein paar Überraschungen auf der Deluxe Vinyl) fügen sich zu einem Zeitgeist zusammen, indem man sich eine Dreiviertel-Stunde verlieren kann. Natürlich nährt sich dieser auch von Querverweisen. Mal ganz deutlich wie auf „Maske weg“ (Future) oder „triff mich halben Weg“ (Black Eyed Peas), mal subtiler in Flows (Playboy Carti, 2hollis) oder Bildsprache (Madonna), wie es die PULS Musikanalyse ergab. Fakt ist: Samples, Remixe, Flow-Recycling und Attitüde gehören zum Rap und Hip-Hop wie Kick und Snare. Warum sollte sich ein 90s-Kid dann nicht auch an Vorbildern oder Zeitgenossen:innen inspirieren dürfen?
So klingt „traence“
Wer „traence“ sagt, muss aber auch Stoopid Lou und die WATERBOUTUS Zwillinge ausrufen. Ohne ein einziges Feature ist es auch diesem Trio zu verdanken, dass der Vibe nicht abreißt. Es geht nicht um Bars und tiktokable Hooks, sondern um einen Zustand der nahtlos bestehen bleibt – wie bei einem DJ-Set. Ganz in weiß gekleidet konnten glückliche Auserwählte schon vor Release bei einer Listening Session diese Erfahrung machen.
Wie unterschiedlich das Album dennoch klingen kann zeigt der Schnelldurchlauf: Da wären die Moby-esquen und sphärischen „Maske weg“ und „Kronleuchter“, Hyperpop-Ausflüge auf „Dreh den auf“ oder „Bentley“ á la early Charli xcx, Bossbaby-Baile auf „Pop (d.P.)“ und „triff mich halben Weg“ bis Neo-Trap auf „Dónde“ und „Nichts hattet mehr“. Besonders hervorzuheben ist auch „Du“ – ein Liebesbeweis welches in analogen Drums und verzerrten Synthies untergeht.
Die „traence“ endet mit der ersten Single „Dónde“ – ein Kreislauf der jetzt Sinn macht. „Ich hör‘ nur ‚Konkurrenz‘, doch ich frage mich: ‚¿Dónde?‘“ rappt Souly provokativ. Kann man schon machen, wenn man eines der heißesten und buchstäblich zeitlosesten Deutschrap-Alben des Jahres fallen gelassen hat. Und das wohlbemerkt beim so „schwierigen“ zweiten Album.

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