Album der Woche: Taylor Swift – The Life of a Showgirl
Taylor Swift ist zurück aus ihrer zweitlängsten Phase ohne Veröffentlichung und erlaubt uns einen Blick hinter den Vorhang, zwischen Federboas, Puder und Pailletten-Glitzer in das Leben als Showgirl. Auf dem Track „So Long, London“ ihres Vorgängeralbums „The Tortured Poets Department“ singt Taylor „And I’m just getting color back into my face“ um ihre Heilung nach der Trennung von Joe Alwyn zu markieren und setzt diese Zeile auf „The Life of a Showgirl“ auch visuell um. Federboas, Glitzerkostüme und diamantenbesetzter Kopfschmuck schreien nach Party und schieben die Melancholie des Vorgängeralbums mit Applaus beiseite.
Doch nicht nur visuell gibt es Unterschiede. „The Life of a Showgirl“ badet förmlich im Pop und hebt sich so klanglich von den vergangenen vier Alben aus dem Hause Swift ab. Das mag auch unter anderem daran liegen, dass die US-amerikanische Sängerin anstelle ihres Langzeit-Produzenten Jack Antonoff nach sieben Jahren diesmal zu Max Martin und Shellback zurückkehrte, die ihren Wechsel von Country zu Pop festigten und für Mega-Hits wie „Shake It Off“ und „I Knew You Were Trouble“ verantwortlich sind. In dem „New Heights“-Podcast ihres Verlobten Travis Kelce verriet Taylor Swift, dass sie während des European Leg ihrer Eras Tour zwischen den Shows nach Schweden flog, um dort mit Max Martin und Shellback an ihrem 12. Album zu arbeiten.
Taylor Swift: And, baby, that’s show business for you!
Taylor Swift hat ihren Songwriting-Prozess einmal eingeteilt in Federkiel-, Füllfederhalter- und Glitzer-Gelstift-Lieder (Quill Pen, Fountain Pen, and Glitter Gel Pen songs) um den Stil ihrer Songs zu definieren. Wo auf „The Tortured Poets Department“ ganze 31 Federkiel- und Füllersongs landeten, ist „The Life of a Showgirl“ kompakt zugeschnürt mit zwölf Glitzer-Gelstift-Liedern, die festhalten, dass Taylor eben keine gequälte Dichterin mehr ist, sondern ein Showgirl, das sein Leben so genießt, wie es jetzt ist. In einer Weise kommt auf „The Life of a Showgirl“ das zusammen, wovon Taylor in so vielen Songs zuvor gesungen hat: Ob „Love Story“, „Lover“ oder „The Prophecy“ – Taylor erfüllt sich ihren Lebenstraum und hat einen Partner gefunden, der alle Scheinwerfer auf sie gerichtet lässt und davor nicht zurückschreckt. So wie Taylor auf „Elizabeth Taylor“ singt: „All the right guys promised they’d stay / Under bright lights, they withered away / But you bloom“.
Und so handelt „The Life of a Showgirl“ von Trauer („Ruin The Friendship“), Fehden in der Musikindustrie („Actually Romantic“, „Father Figure“), und überwiegend von Taylors Liebe zu ihrem Verlobten Travis Kelce. Im Ganzen also von allem, was Taylors Lebensrealität war, sobald die letzten Akkorde der Eras Shows gespielt waren. Textlich bewegt sie sich auf die Unverblümtheit, die man sonst von Sabrina Carpenter kennt zu – die dann auch auf dem Album auftaucht. Im Outro fällt der letzte Vorhang, mit dem Applaus des Publikums der letzten Show der Eras Tour in Vancouver.
Auf ihre Weise teilt Taylor Swift auf „The Life of a Showgirl“ auch ziemlich aus. Nicht nur auf dem E-Gitarre-lastigen „Actually Romantic“, das Fan-Theorien zufolge eine Antwort auf Charli xcx „Sympathy is a knife“ ist und die ikonische Line „No man has ever loved me like you do“ beinhaltet, die zeitgleich einen Seitenhieb ist gegen die Medien und wie diese sich über Taylor Swifts Beziehungen zerreißen. Auf „Father Figure“ rechnet sie in einer mafiösen Erzählung mit der Musikindustrie ab und wie einem nicht alles gehört, was man zu besitzen gedacht hat. Damit geht sie auch darauf ein, dass sie Anfang des Jahres die Masterrechte an ihren ersten sechs Alben zurückkaufen konnte.
Nach der Eras-Tour: Wenn der letzte Vorhang fällt…
Wenn man jetzt „Taylor Swift cancelled“ googelt und dann statt veralteten Tweets aus 2016 ihr gleichnamiger neuer Song erscheint oder bei „The Life of“ sofort Taylors neues Album und nicht etwa das Album „The Life Of Pablo“ ihres Antagonisten Ye auftaucht, sind nur kleine swiftige Nebenstellschrauben, die in all den Nachrichten zum Album und seiner Rekorde nahezu unbemerkt bleiben.
In klassischer Taylor-Manier finden sich auf dem gesamten Album jede Menge Easter Eggs. So baut die Sängerin in der Bridge des Opening Tracks „The Fate of Ophelia“ Akt 1, Szene 3 und Akt 3, Szene 1 des Shakespeare-Dramas „Hamlet“ ein und greift damit ihre oft betonte Lieblingszahl dreizehn auf. Und die Zeile „keep it 100“ ergibt sich aus eben jener dreizehn und der 87, der Trikotnummer von Travis Kelce.
100 Prozent geben ist also nicht nur das Ergebnis ihrer versprochenen Liebe, sondern auch das, was zu Taylor Swifts Arbeitseinstellung passt, an der sie uns auf „The Life of a Showgirl“ eben teilhaben lässt. Mit Blick auf die Show vergisst das Album aber auch eine politische Einordung, die auf dem Schwesteralbum „Lover“ von 2019 noch stattfand und vor einer Person mit einer derartigen Plattform eigentlich wünschenswert wäre. Aber das Showgirl ist eben mit voller Konzentration bei der Show. „The Life of a Showgirl“ mag unter Fans umstritten sein, braucht vielleicht ein paar Wochen länger, um im Ohr zu bleiben und stiftet mindestens genauso viele Theorien, ob Taylor jetzt mit ihrer Einteilung in Eras abschließt. Mit der Verabschiedung „We will see you next time“ auf dem Albumcloser verrät uns Taylor allerdings, dass die Show und ihr Leben als Showgirl noch lange nicht vorbei sind.
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