Musik wird zur Erzählerin in DRUCK
Einer der vielen Vorteile des Musikjournalismus ist es, dafür bezahlt zu werden, jede Menge Musik zu hören, ist ja klar. Wenn man dann auch noch Serien schauen und darüber berichten kann, doppelt so gut! Nachdem wir uns bereits mit dem Soundtrack von Euphoria auseinandersetzten, der die Grenzen zwischen Musikvideo und Serie verwischen lässt, widmen wir uns heute dem fabelhaften Soundtrack von „Druck“. Der begleitet in der neuen Staffel Hauptfigur Mailin, die gerade ihr Abi macht, zockt, gerne Fußball spielt und sich für Umweltschutz einsetzt.
Die kostenlos schaubare Youtube-Serie von Funk umfasst mittlerweile neun Staffeln und basiert auf dem norwegischen Original „Skam“, welches lediglich vier Staffeln umfasst. In jeder neuen Staffel dreht sich alles um einen Charakter, nach dem auch die Staffeln benannt sind. So folgte „Mailin“, die aktuelle Staffel, auf „Nora“ und „Ismail“. Themen wie Ausgrenzung, Rassismus-Erfahrungen oder Depression werden mit Freundschaft, Partys oder Liebe ganz natürlich verknüpft, so wie es eben auch im echten Leben ist.
Sonne genießen zu Lion Babe
Da die Folgen in Echtzeit veröffentlicht werden, fließen aktuelle Themen wie Corona oder in der neuen Staffel der Ukraine-Krieg natürlich mit ein. Im Soundtrack spiegelt sich die Aktualität genauso wider. Musik nimmt dabei eine ganz feinfühlige Rolle ein, weil sie quasi selbst schon als Erzählstimme fungiert und das ausdrückt, was kein Dialog könnte. Sie begleitet Mailin und die anderen durch ihren Alltag und wirkt fast schon wie eine Stimme aus dem Off – und zwar eine sehr schöne und intime Stimme.
Einen intimen Freundschaftsmoment unterstreicht sie zum Bespiel, wenn Mailin ihre Hand gen Sonnenstrahlen streckt und die Kamera langsam zu ihren engsten Freundinnen Eva, Nora und Fatou rüber schwängt. Die sind dick eingepackt, aber schon mit Sonnenbrille gewappnet und dazu ertönt der soulige Synthie-Track „Wonder Woman“ von Lion Babe. Da kann man nicht anders, als sich direkt an den Strand versetzt fühlen.
Fatou und Eva (gespielt von Sira und Ish) machen übrigens wowohl in Druck, als auch abseits der Serie gemeinsam Musik. Mit smoothen Beats, Rap und Flüster-Vocals schaffen die beiden jeweils ihre ganz eigene Klangsprache.
Aktivismus zu Lilyisthatyou
Zurück zur Folge, wo später dann eine ganz andere Atmosphäre herrscht. Denn auf „In die Sonne blinzeln zu Lion Babe“ folgt Aktionismus zu Lilyisthatyou. Grund dafür ist die Frage, welche Autor:innen im Deutschunterricht besprochen werden sollten. Das sind nämlich aktuell noch viel zu oft dieselben, ja man muss es leider sagen, weißen, sexistischen, hetereo-cis Männer, auf die Mailin sowas von kein Bock mehr hat. Dementsprechend reagiert sie und stellt die Schulbibliothek auf den Kopf – begleitet von Lilyisthatyous lauter Stimme und „All About Me“: „I don’t give a damn if you’re not at ease / This is not about you, it’s all about me / Swallow your pride, fuck off and die / This is not about you, it’s all about me”.
Der perfekte Soundtrack mit Wet Leg, Benee und Eli Preiss
Zwei andere sehr schöne Momente sind außerdem, als Wet Leg in Folge fünf die Geschichte miterzählen mit dem Song „Angelica“ (über den ihr hier mehr erfahrt) und später Stromae mit „Fils de Joie“ Mailins Zerrisenheit unterstreicht. Man merkt, dass die Serie das ganze Pop Spektrum abdeckt, von Rock-Pop bis Synthie-Pop. Und die Serie macht Lust, sich noch mehr von den Künstler:innen anzuhören. Dabei dürfen bekannte Größen, wie Billie EIlish oder Harry Styles natürlich nicht fehlen, die Indie-Künstlerin Benee oder Rapperin Eli Preiss sind dann schon etwas nischiger, aber aufmerksamen DIFFUS Leser:innen ohnehin schon bekannt.
Musik als identitätsstiftend
Verantwortlich für die exquisite Musikauswahl ist Music Supervisor Philipp Kozik. Er sagt dazu: „Musik stiftet in dem Alter absolut Identität. Man ist auf der Suche nach Identität und da wird Musik zum Begleiter. Das ist in der Serie genau deshalb wichtig. Und dann glaube ich, dass alles, was geschieht, immer und überall mit Musik zu tun hat. Du triffst dich im Park, hörst Musik. Du heulst deiner Liebschaft hinterher und hörst Musik. Fährst zur Schule. Deshalb ist es cool, das “DRUCK” als Plattform auch die Möglichkeit gibt, so viel Musik einzubeziehen. Das hat ja in anderen Jugendserien nicht stattgefunden. Das ist hier ein riesiger Mehrwert.„
Von der „Mailin“-Staffel wurde vergangenen Sonntag leider schon die letzte Folge ausgestrahlt, weshalb es jetzt erstmal wieder eine Druck-Pause geben wird. Das ist ein bisschen traurig, wie es eben immer so ist, wenn eine Lieblings-Serie zu Ende geht. Aber auf der anderen Seite gibt es noch sieben andere Staffeln, von der ich die ein oder andere bereits doppelt gesehen habe und die auch jede Menge gute Musik zum Entdecken bereithalten.
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