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Neues aus der Wiener Szene: Chamito und Kevin Cool feiern Veröffentlichung von „Kade“

Posted in: Features

Dass sich in Wien immer wieder interessante Projekte auftun, ist kein Geheimnis mehr. Die österreichische Hauptstadt hat in den vergangenen Jahren zum Beispiel Artists wie Bibiza, Eli Preiss oder Salò hervorgebracht. Mit „Kade“ erschein nun ein neues Projekt zweier Newcomer aus demselben Umfeld. Chamito und Kevin Cool bringen ihre musikalische Sozialisationen zusammen und beschäftigen sich auf „Kade“ mit der Frage nach Zugehörigkeit und Identität. Seit Freitag ist das Tape überall zu hören. Vor einer Woche haben wir die beiden Interpreten bei ihrer gemeinsame Pre-Release-Party besucht, um mehr über das Duo zu erfahren.

Aus den Boxen dröhnt eine Mischung aus Reggaeton-Rhythmen, Gitarrenriffs und tiefen 808s. Eine Handvoll geladener Gäst:innen tanzt dazu ausgelassen auf einem überschaubaren Dancefloor. Im Hintergrund klirren Gläser und füllen sich immer wieder mit einem Gemisch aus trockenem Prosecco und fruchtigem Maracujasaft. Zwischen dem Gewusel an Menschen, in welchem sich auch bekannte Gesichter wie das von Jugo Ürdens oder Filly tummeln, findet man zwei mit besonders breitem Grinsen und gespanntem Blick. Die Newcomer Chamito und Kevin Cool feiern in einer kleinen Bar im 6. Wiener Gemeindebezirk die Veröffentlichung ihres gemeinsamen Tapes. Dazu haben sie bereits eine Woche vor Release eingeladen, die zwölf Tracks von „Kade“ zu erleben. 

Die Frage nach dem „Wo?“

„Wo sind wir und woher kommen wir? Das war eigentlich die ganze Zeit die Frage“, sagt Chamito während sein Blick durch den Raum der Bar schweift. In einem ruhigen Moment bevor die ersten Gäst:innen einströmen, erzählen die beiden Newcomer von ihrem gemeinsamen Projekt. Gedimmte Lichter verstärken die Herbstmelancholie, die vor den großen Fenstern des Lokals weht. Das behagliche Retro-Möbilier lässt die sinkenden Temperaturen der Außenluft schnell vergessen. „Wir sind beide erst seit ein paar Jahren in Wien. Unsere Herkunft hat uns geprägt und diese Frage nach Identität und Zugehörigkeit ist das, was uns verbindet“, setzten die Artists fort. 

Foto: Toska Schwarzäugl

Es begann am Schillerplatz

Sowohl Chamito als auch Kevin Cool machen schon länger Musik in Form von Soloprojekten. Kevin Cool ist seit 2022 Mitglied des Swift Circles. Dieser hat wenig mit unserer allseits verehrten Taylor zu tun, sondern umfasst viel mehr Künstler:innen wie Bibiza, Eli Preiss, Liebcozy sowie die Produzenten Supergerne und Prodbypengg. Auch Chamito produziert und singt bereits seit längerem. Dadurch stand er auch schon mit Artists wie Katha Pauer als Support für Jeremias auf der Bühne. Den ersten gemeinsamen Auftritt hatten er und Kevin dann bei dem von Swift Circle organisierten Benefizkonzert für Erdbebenopfer in Syrien und der Türkei. Rund dreitausend Personen füllten an diesem Tag den Wiener Schillerplatz. „Da haben wir das erste Mal gemeinsam gespielt und direkt weiter Songs gemacht“, erzählt Kevin über das Zusammenfinden mit Chamito. „Gabriel (Chamito) hat mich sehr inspiriert, weil er sich immer getraut hat, etwas Kulturelles in seine Musik einzubringen. Das hat mich motiviert, auch meine mazedonischen Wurzeln mehr zu zeigen.“

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Kulturelle Melange

Chamitos Wurzeln aus Venezuela und Kevin Cools mazedonische Herkunft ließen sie oft nach einem „Wo“ suchen. Eine Aufarbeitung dieses Prozesses soll auf dem Tape „Kade“ (Mazedonisch und Portugiesisch für „Wo“), reflektiert werden. „Wir wollten die Leute aus ihrer Welt reißen und kurz in unsere reinbringen“, sagen die Artists selbst über ihr Projekt. Das gelingt ihnen durch die stringent eingebauten biografischen Elemente aus Text und Produktion. Denn nicht nur thematisch stecken eigene Lebensrealitäten in den zwölf Songs. Zwischen orientalischen Melodien und Reggaeton-Beats schaffen es auch Rock-Gitarren und Trap-Bässe auf die Tonspuren. 

Schon das Intro des Tapes teleportiert direkt auf einen belebten Markt in Venezuela. Die danach folgenden Tracks sind eine Mischung aus Zusammenspiel und Alleingang der beiden Artists. Das gemeinsam interpretierte „Glanz“ war dabei die erste Singleauskopplung des Tapes. Der Song wurde von Lex Lugner produziert, der auch bereits mit Rin, Yung Hurn, Crack Ignaz, oder LGoony zusammenarbeitete. Auf „No Tiene Fin“ hören wir einen lockeren Mix aus Chamitos leichtfüßigem Flow und Kevin Cools Elementen aus Sprechgesang. Die Tracks „Dime“ und „Rote Ampeln“, welche zuvor schon als Doppelsingle erschienen, bringen wiederum jeweils das individuelle Flair der Artists aufs Band. Die Vermutung, dass sich das Duo in seinem Musikstil gegenseitig ausbalanciert, wird ohne weiteres Nachfragen bestätigt. „Chamito sagt oft zu mir ‚Mach’s ein bisschen weicher, schöner!‘, und ich sag zu ihm ‚Mach‘s schircher, dreckiger!‘ – Wir gleichen einander aus“, erzählt Kevin über ihre Zusammenarbeit an „Kade“.

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Lebenslänglich Tourist

„Diese Suche nach dem ‚Wo‘ ist eigentlich gar keine Frage mehr. Ich habe für mich verstanden, dass ich nur in mir zuhause bin. Ich bin immer Tourist, egal ob in meiner Stadt in Mazedonien oder in Wien“, Kevin nimmt einen Schluck aus seinem hohen Weinglas. Sein Blick wandert in die Ecke der Bar, wo das erste eigene Merchandise des Duos hängt. Zehn weiße und zehn schwarze Shirts mit detailliertem Print und gesticktem „Kade“ Schriftzug am Rücken. Produziert von lokalen Kleinunternehmen in Wien. Dabei fällt eine Detailgenauigkeit ins Auge, die fast vergessen lässt, dass es sich hier um ein DIY-Projekt handelt. 

Die Zusammenarbeit mit der Wiener Szene scheint ihnen nicht nur beim Merch am Herzen zu liegen. Im Gespräch zählen die Beiden eine ganze Liste an Menschen auf, denen sie für ihre Unterstützung dankbar sind. Es ist nicht zu übersehen, dass Wien eine starke Bedeutung für die beiden hat. „Ich bin vor sechs Jahren aus Heidelberg hierhergezogen. Die Stadt gibt mir die Möglichkeit, mein Leben dort und in Mérida, meiner Stadt in Venezuela, aus der Ferne zu betrachten und das alles zu reflektieren“, erzählt Chamito. Währenddessen bedeutet für Kevin Cool seit acht Jahren in Wien zu leben, die Gelegenheit sein Kunstschaffen frei auszuleben– etwas, das er „Luxusdepression“ nennt: „Ich hoffe für Leute irgendwas hinterlassen zu können, womit sie sehen, dass man als jemand, der ausgewandert ist oder Flüchtling, trotzdem hier so leben kann und Kunst hinterlassen kann wie ein Österreicher.“ 

Foto: Toska Schwarzäugl

Du kriegst mich aus meiner Stadt aber meine Stadt nicht aus mir

Obwohl Wien den beiden Künstlern viele kreative Möglichkeiten bietet, erleben sie ein ständiges Hin und Her zwischen Heim- und Fernweh. Die Sehnsucht nach den lebhaften Straßen von Kočani in Mazedonien und dem bunten Treiben in Mérida, Venezuela, ist spürbar und inspiriert sie. Chamito und Kevin Cool vergleichen dieses Gefühl damit, eine geliebte Person zu vermissen – eine Mischung aus Verletzung und Vorfreude auf das Wiedersehen. Im Fokustrack „Meine Stadt“ bringen sie diese Ambivalenz auf den Punkt. Eine Mischung aus Amapiano-Beats und dynamischem Pop-Rock-Flow vereint diese Emotionen auf Zeilen wie dieser: „Wer hat mich wiederbelebt / Was glaubst du wie es uns geht / Hohes Fieber, es ist wegen dieser Stadt“. 

Das Zuhause von „Kade“ 

In Mariahilf runden die Lautsprecher der Bar die Listening-Session von „Kade“ mit seinem schließenden Outro ab. Der Secco-Maracuja ist leer, die letzten Sonnenstrahlen sind längst dem sanften Schein der Straßenlaternen gewichen. Doch das tut der Stimmung keinen Abbruch. Nach dem Hören der zwölf Tracks auf dem Tape bleiben die Gäst:innen in treibender Stimmung. In den Gesichtern von Chamito und Kevin Cool spiegelt sich die Vorfreude auf den baldigen Release wider. Dabei ist unübersehbar: Mit „Kade“ haben die beiden Artists ihr „Wo“ längst gefunden – in der Verbindung ihrer Kunst, ihrer Kulturen und der kreativen Atmosphäre, die Wien ihnen bietet.

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