DIFFUS

„Ich wollte nie in mein altes Leben zurückkehren oder keine Musik mehr machen“: Wie der Engländer Rhodes zum zweiten Mal seine Stimme entdeckte

Posted in: Features

Ganz ohne Absichten griff David Rhodes in jüngstem Kindesalter zur Gitarre seines Vaters und spielte drauf los. „Ich bin in einem extrem musikalischen Elternhaus großgeworden. Samstags wurde ich immer schon von den Gitarrenklängen meines Vaters aus der Küche geweckt“erzählt er. Da David nicht der Vorzeigeschüler war, wurde die Musik schnell zu einer Art Flucht aus der tristen regnerischen Realität in englischen Vororten. „Ich war besessen von CDs und hab auf die Neuerscheinungen hingefiebert, wie auf meinen Geburtstag. Auch die Plattensammlung meines Vaters war mir heilig, er hat mir all seine Lieblingskünstler und -Gitarristen gezeigt“ blickt Rhodes zurück. Musik wird zu David Lebensmittelpunkt und der Traum groß, nie etwas anderes tun zu müssen. Zusammen mit seinem besten Freund trat David in den örtlichen Pubs auf, mit Cover-Songs und eigenen Kreationen. David blieb dabei allerdings stets im Hintergrund in begleitete seinen Kumpel auf der Gitarre. Damit fühlte er sich allerdings auch viel wohler. Viel zu schüchtern war er, um sich selbst ans Mikrofon zu stellen und zu singen. „Ich habe schreckliche Angstzustände und schaue viel zu oft, was andere von mir denken. Ich hatte schlichtweg Angst, anderen Erwartungen nicht gerecht zu werden und in ihrem Sinne zu versagen“erinnert er sich heute. Nach etwa zehn Jahren, in denen die beiden besten Freunde zusammen musizieren, entscheidet sich der Kumpel nach dem Schulabschluss gegen die große Musikkarriere und für das Reisen durch die Welt. Für David war das gleichermaßen Fluch und Segen. „Ich habe mich etwas verloren gefühlt ohne meinen Schreib-Partner an meiner Seite“ – kurzerhand packte er seine sieben Sachen und zog 30 Kilometer weiter nach London, wo er sich in die belebte Musikwelt stürzt: „Die Musikerszene in Camden hat mich vom ersten Moment an begeistert. Dort fing in an, mit unterschiedlichsten Genres und Instrumenten herumzuexperimentieren“ erklärt er. Um etwas Geld zu verdienen, jobbte er tagsüber in einem Klamottengeschäft, in Davids Kopf drehte sich allerdings alles um Musik. „Ich bin morgens aufgewacht und bin die die Skizzen der letzten Nacht durchgegangen oder hab geschrieben. Danach hab ich für neun Stunden T-Shirts gefaltet und Anrufe angenommen und mich danach sofort wieder ans Musizieren gemacht“sagt Rhodes heute über die Zeit. Neben Songskizzen fing David allmählich auch an, Songtexte zu schreiben. „Ich habe mir schon immer kleine Notizen gemacht, auch mal Gedichte geschrieben oder komische Monologe mit einer Menge Hall aufgenommen. Als ich meine Worte dann allerdings zu Melodien werden ließ, hat das meine Welt verändert. Es war wie eine Therapie, in der man alles rauslassen kann“ so Rhodes. Jetzt standen nur noch seine Angst und Schüchternheit in Davids Weg. Die verflog allerdings allmählich, als er zwei bis drei engen Freunden seine ersten Demos vorspielte. „Das Feedback war unglaublich. Ich begann, mir und meinem Instinkt zu vertrauen und fühlte mich bald soweit, meine Musik mit der Welt zu teilen.“

Rhodes – Raise Your Love

Hier wäre eigentlich etwas eingebettet. Du hast aber Embed und Tracking deaktiviert.

Zur Optimierung unseres Angebots nutzen wir Cookies, Google Analytics und Embeds von Seiten wie YouTube, Instagram, Facebook, Spotify, Apple Music und weiteren. Mit dem Klick auf "Jetzt aktivieren" stimmst du dem zu. Mehr Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.


2013 war es dann endlich soweit und David veröffentlicht unter seine erste EP „Raise your Love“ unter dem Namen „Rhodes“. Darauf folgen 2014 die „Morning“- und die „Home“-EP, die dem Anfang 20-jährigen Einzug in die Rotation internationaler Radiosender gewähren. In den Medien wird Rhodes als Wunderkind bezeichnet, die britische Zeitung The Guardian zieht Vergleiche zu Weltstars wie Sam Smith und Adele. Das legte David zwar auch eine Menge Last auf die Schultern, gab ihm allerdings auch die Möglichkeit, mit Künstlern wie Laura Marling, Nick Mulvey, London Grammar oder Rufus Wainwright als Support durch die Welt zu touren. Eine Zeit, die Rhodes heute nur noch sehr schwammig in Erinnerung hat: „Es ist schwer greifbar, wenn so viel in so kurzer Zeit passiert. Trotzdem bin ich unfassbar dankbar und stolz, das erlebt haben zu dürfen“erklärt er. Diese erste unheimlich erfolgreiche Phase seiner Musikkarriere beschließt Rhodes 2015 mit seinem Debütalbum „Wishes“. Bereits bekannten Radio-Hits wie „Your Love“, ein Cover von „Blank Space“ von Taylor Swift oder „Let It All Go“ mit Birdy wurden weitere Liebesballaden beigefügt. Vereinzelt lässt Rhodes allerdings auch durchblicken, dass er mit der Trubel um seine Person ziemlich zu kämpfen hat – so beispielsweise im Song „Turning Back Around“. „Now I’m hiding from everyone I know / I can’t tell them what I know / I’m lying to everyone I know / Can’t tell them what I know“ singt er und gewährt Einblicke in seine teils düstere Gefühlswelt. Zudem fühlt er sich vermehrt unwohl in Situation, in denen er sozial funktionieren sollte. „Events und solchen Sachen waren für mich die Hölle. Ich bin ein extrem schüchterner und introvertierter Mensch und habe soziale Interaktionen meist versucht zu vermeiden.“

Rhodes – Turning Back Around

Hier wäre eigentlich etwas eingebettet. Du hast aber Embed und Tracking deaktiviert.

Zur Optimierung unseres Angebots nutzen wir Cookies, Google Analytics und Embeds von Seiten wie YouTube, Instagram, Facebook, Spotify, Apple Music und weiteren. Mit dem Klick auf "Jetzt aktivieren" stimmst du dem zu. Mehr Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.


David stürzte in eine langandauernde Krise geprägt von Depressionen und starken Angstzuständen. Weder fühlte er in der Musikbranche wohl, noch wollten neue Ideen für neue Songs in seinem Kopf entstehen. „Wieder zurückkehren in mein altes Leben oder keine Musik mehr machen, das wollte ich nicht. Ich hatte allerdings unzählige Momente, in denen ich einfach nichts mit mir anfangen konnte und ich mir wünschte, es würde einfacher sein“. Es mussten Veränderungen her. David begab sich auf eine Reise durch die Welt und schließlich auf die Suche nach sich selbst. „Das Reisen gibt einem die Freiheit zum Denken. Ich konnte in die tiefsten Abgründe meiner Seele blicken und viele Türen öffnen, hinter denen sich viele Ängste und Emotionen entpuppten“erinnert sich Rhodes. Auch Freunde und Bekannte haben ihm geholfen, wieder in die Spur zu kommen. „Ende 2017 hab ich mich mit meinem guten Freund Simone Felice getroffen. Er hat mir immer seinen Weisheiten erzählt, mich beruhigt und mir geraten, mich mit Leuten zu umgeben, denen ich vertrauen kann.“ Von Stürzen und Schicksalsschlägen konnte Singer Songwriter, Autor und Freund Simone Felice ein Liedchen singen. 2010 wurde bei ihm ein Herzfehler erkannt. Eine Operation am offenen Herzen war die letzte Rettung. Im Anschluss musste er sich seinen Weg zurück ins Leben kämpfen. Aus solchen Geschichten und seinen Reisen konnte Rhodes neue Energie schöpfen und einige Schlüsse ziehen. „Ich habe realisiert, dass ich lange vor Dingen weggerannt bin, die ich eigentlich brauche. All meine Ängste bestehen nur in meinem Kopf und so real und zerstörerisch sie auch sein können, man kann sie überwinden“– und so geschah es. David beginnt wieder zu schreiben und verarbeitet so die Erlebnisse der letzten Jahre. Nach Studiosessions mit Englands gefragtesten und besten Produzenten entstehen erste Songs, die Rhodes am Mitte Juli 2020 als EP unter dem Namen „I’m Not Ok“ mit der Welt teilt. Zentrales Thema dabei ist sein engstes Umfeld, bei dem er sich offen und ehrlich für entschuldigen möchte. „Ich habe gemerkt, dass ich mir mit meinen mentalen Probleme nicht nur selbst, sondern auch meinem engsten Umfeld wehgetan habe. Daran will ich arbeiten, es ist extrem wichtig, die Liebe, die man bekommt, auch zurückzugeben“ gesteht er sich. So singt er beispielsweise im Song „Love You Sober“: „Don’t need another way to hurt / Just need another way to hold on / Find another way to shut the dark side out / I want to treat you better“.

Rhodes – I’m Not Ok (EP)

Hier wäre eigentlich etwas eingebettet. Du hast aber Embed und Tracking deaktiviert.

Zur Optimierung unseres Angebots nutzen wir Cookies, Google Analytics und Embeds von Seiten wie YouTube, Instagram, Facebook, Spotify, Apple Music und weiteren. Mit dem Klick auf "Jetzt aktivieren" stimmst du dem zu. Mehr Informationen findest du in unserer Datenschutzerklärung.


Auch nach fünf Jahren hat Rhodes nichts an seiner Zerbrechlichkeit verloren. Vielmehr kann er jetzt mit klarem Kopf an die Sache gehen und seine Gefühle noch konkreter benennen. Das will er auch zukünftig machen: „Es wird definitiv neue Musik geben und bald auch ein Album. Es passiert gerade so viel in dieser Welt und es gibt so viel herauszufinden.“ Mit neugewonnener Lebensenergie und -lust will er jetzt nicht nur sein seine Liebsten beglücken, sondern sobald es geht auch wieder seine Fans. „Ich will unbedingt wieder auf Tour. Ich kann es kaum erwarten, wieder vor Menschen aufzutreten und ich werde alles geben, dass es sich für sie lohnt.“

Cover neues DIFFUS Magazin

Das neue DIFFUS Print-Magazin

Titelstory: SSIO

Außerdem im Heft: Interviews mit badmómzjay, t-low, Magda, Paula Engels, fcukers, Betterov uvm. Außerdem große Reportagen über Kneipenkultur, Queer Rage und Essays!