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Shirley Manson von Garbage im Interview: „Niemand hätte die Gallaghers gefragt, wann sie in Rente gehen.“

Posted in: Features

Ach, scheiß doch auf journalistische Distanz oder die Neutralität des Kritikers. Gibt’s im Musikjournalismus eh nicht oft, auch wenn gerade die Musikjournalisten, die sich als Kritiker bezeichnen, das immer so gerne einfordern – und es dann selbst nicht liefern. Aber das wäre ein Thema für eine anderen Longread. In diesem hier möchte ich über eine Heldin meiner Jugend schreiben, die immer noch spannende, lyrisch anspruchsvolle, dunkle, kämpferische, catchy Musik veröffentlicht: Shirley Manson, Sängerin und Texterin der Band Garbage. Und das geht halt (für mich) nicht, ohne ein wenig persönlich zu werden.

Bei all den Held:innen der 90er- und Nullerjahre, die gerade von jüngeren Fans wiederentdeckt werden, kann der ganz große Hype gerne auch noch mal Garbage ein wenig mehr ins Bewusstsein spülen – obwohl die amerikanische Band mit einer in Amerika lebenden Schottin als Sängerin immer noch recht gut im Geschäft ist. Als Garbage 1995 mit dem Debütalbum „Garbage“ auf die Bühne sprangen, war ich erst verwirrt – und dann begeistert. Zu der Zeit spürte ich als Teenager gerade die letzten Wehen meiner ersten Grunge-Phase, trauerte um Kurt Cobain und fragte mich, warum Dave Grohl plötzlich mit den Foo Fighters Pop-Punk spielte.

Viele hörten Garbage zuerst wegen Nirvana-Produzent Buch Vig – und blieben wegen Shirley Manson

Und dann waren da eben Garbage: Shirley Manson, damals 28, war eine schottische Indie-Sängerin, die von drei älteren Produzenten und Musikern gefragt wurde, ob sie in ihrer Band singen wolle. Diese Produzenten waren Steve Marker, Duke Erikson und Butch Vig. Letzt genannter war der Produzent von Nirvanas „Nevermind“, „Gish“ und „Siamese Dreams“ von Smashing Pumpkins und „Dirty“ von Sonic Youth – allesamt Alben, die mich damals am Leben hielten. Deshalb musste ich natürlich Garbage auschecken – und fand einen Sound, der viel poppiger war, als alles, was ich damals sonst so hörte. Ich kam eigentlich wegen Butch Vig – blieb dann aber wegen Shirley Manson. Denn die war eben nicht nur eine Sängerin: Sie war (und ist) eine verdammt gute Texterin – und sie war ehrlich eingestanden eine der ersten Frauen, die ich auf der Bühne eines Rockkonzerts sah.

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Denn das passierte Mitte der 90er gar nicht so oft: Klar, Festivals sind auch heute noch viel zu sehr Würstchenparade (zumindest die großen), aber damals war alles noch ein wenig fester in Männerhand. Und ich, als sehr jung aussehender, gerne hart sein wollender Milchbubi, dachte damals, ich könnte und müsste vor allem depressiven oder wütenden Männern zuhören und alles andere sei irgendwie … unmännlich. Alanis Morissette, Tori Amos, die Sängerinnen von Chumbawamba, der damals noch weiblich gelesene Sam Bettens von K’s Choice und vor allem Shirley Manson änderten das. Als ich sie zum ersten Mal – bei einem Festival namens Rock am Schloss in Fürstenau – auf der Bühne sah, war ich hooked. Sie stahl ihren Bandkollegen die Show, war verletzlich und wütend zugleich, konterte Cat-Calling-Ausrufe mit angriffslustiger Verachtung – und sie sang und schrieb Lieder wie „Only Happy When It Rains“, „Stupid Girl“, „Fix Me Now“ und „Queer“, mit den für mich damals irgendwie faszinierenden Lines: „Hey boy, take a look at me / Let me dirty up your mind / I’ll strip away your hard veneer / And see what I can find.“

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„L7, Courtney Love und ich spürten die Regeln, die das Patriarchat einst aufgestellt hatte.“

Sorry für meine lange Vorrede. Aber die ist hier wichtig, weil ich sie ungefähr so auch Shirley Manson erzählt habe, als wir vor einigen Tagen miteinander zoomen konnten. Ich kam mir dabei ein wenig cheesy vor, aber ich wollte ihr einfach mal danken, dass sie meinen, damals vom allgemeinen Sexismus in der Gesellschaft und im Musikjournalismus geprägten Horizont erweitert hatte. Ihre Antwort darauf. Erst ein „Oh“. Dann ein paar Sekunden Stille – und dann: „Sorry, ich bin gerade etwas vor den Kopf gestoßen. Weil mir das noch niemand gesagt hat. Ich habe noch nie einen Mann gehört, der das zugegeben hat. Und ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du das gerade getan hast. Ich meine, letztendlich warst du damals ein junger Mann, der gehorsam auf die Gesellschaft gehört hat, in der du aufgewachsen bist. Und diese Gesellschaft wurde von Männern geschaffen und von Männern dominiert – das gilt auch und insbesondere für das Musikbusiness. Bis zu einem gewissen Grad ist das immer noch so. So was heute zu hören, zeigt mir, dass ich damals nicht falsch lag. Ich wusste instinktiv, dass ich in einem Patriarchat lebte und ich wusste, dass ich benachteiligt war – auch wenn man mir früher immer sagte, das sei nicht so. Aber ich glaube, viele Frauen wissen das sofort. Instinktiv. Sie denken sich: ‚Ja, hier stimmt etwas nicht. Ich bekomme nicht die gleichen Chancen wie meine männlichen Kollegen.‘ Frauen wie Courtney Love, oder ich, oder L7 oder wer auch immer, welche Frau auch immer sich entschieden hat, gegen ein festgefahrenes Patriarchat zu rebellieren – wir alle spürten diese Regeln, die vor Hunderten von Jahren von irgendwelchen Männern aufgestellt wurden, und unser gesamtes Berufsleben bestimmt haben.“

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Held:innen wie Patti Smith, David Bowie, Grace Jones und Stevie Nicks

Interessanterweise waren es aber nicht unbedingt nur Musikerinnen, die wiederum Shirley Manson als junge Frau inspiriert haben, selbst Musik schreiben und machen zu wollen. „Meine Held:innen waren vor allem androgyne Charaktere wie David Bowie, Patti Smith und Siouxsie Sioux“, sagt Manson. Aber auch Grace Jones und Stevie Nicks seien wichtig gewesen, und Blondie-Sängerin Debbie Harry, die zwar bittersüße Popsongs geschrieben hätte, aber so Manson: „Ich wusste instinktiv, dass sie ein toughes Biest war.“ All diese Künstler:innen hätten ihr gezeigt, dass es eine andere Art geben könne, in dieser Welt zu existierten. „Wir mussten uns nicht alle an diese Stereotypen halten, die uns irgendwie aufgezwungen wurden. Männer mussten männlich und mutig und stark sein und einen großen Schwanz haben. Und Frauen mussten gefällig und sexy und schön und harmlos sein. Dann kamen meine Held:innen und sagten mir: ‚Nein, nein, nein, es gibt eine Milliarde andere Möglichkeiten, in dieser Welt zu existieren.‘“

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Dann schlägt Shirley Manson eine Brücke zu einem Thema, das sie dieser Tage viel mehr beschäftigt, als es eigentlich sollte: Altern und Altersdiskriminierung, oder Ageism, in der Musikwelt. „Zufälligerweise sind viele dieser Frauen, die ich vorhin erwähnt habe, unbestreitbar die erste Welle sichtbarer, älterer Karrierefrauen. Wir haben noch nie, nie, nie Frauen gesehen, die in ihren 70ern und 80ern ihre Selbstbestimmung und ihren Wert behalten haben. Das ist das erste Mal, dass die Menschheit so etwas erlebt. Das ist revolutionär. Als ich aufwuchs, war es für Frauen noch sehr schwierig, Karriere zu machen. Das hat sich in den letzten 50, 60 Jahren glücklicherweise geändert, und heute sind Frauen im Berufsleben präsenter. Sie werden zwar noch nicht unbedingt fair bezahlt, aber die Dinge ändern sich langsam. Aber die Frauen, die ich erwähnt habe, diese Künstlerinnen, haben die Welt für uns alle verändert. Und sie sind laut und deutlich zu hören. Patti Smith, Chrissie Hynde, Debbie Harry – sie sind immer noch sehr aktiv in ihrer Karriere, headlinen Festivals, begeistern uns alle und sagen: ‚Hier sind wir, wir sind Frauen in unseren 70ern, und wir sind immer noch da, wir sind immer noch stark, und wir haben immer noch etwas zu sagen.‘ Und das wird sich auf unsere Kultur und unsere Gesellschaften in der Zukunft auswirken.“ Sie hält kurz inne und sagt: „Ich bin ihnen so dankbar. Und ich bin so stolz auf mich, dass ich so großartige Vorbilder ausgewählt habe.“ Dann kommt dieses herrlich laute, schottische Lachen und die treffende Erkenntnis: „Ich hatte wirklich einen guten Geschmack.“

Die aktuelle Agesim-Debatte

Shirley Manson selbst ist 58 Jahre alt – und auch wenn sie in den letzten Jahren mit ihrer Gesundheit kämpfte und zwei schwere Hüftverletzungen hatte, beweist nicht zuletzt das neue Garbage-Album „Let All That We Imagine Be Light“, dass sie eine Musikerin „in her prime“ ist. Trotzdem gab es vor einigen Wochen zum Release der aktuellen Promofotos misogyne, sexistisch gefärbte Headlines von britischen Medien. Meine Kollegin Johanna hat hier über diesen Vorfall geschrieben. (https://diffus.de/p/sexismus-trifft-ageism-das-ist-kein-journalismus-das-ist-mobbing/)

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Es war allerdings nicht das erste Mal, dass Shirley Manson mit Ageism konfrontiert wurde. Auf dem Album gibt es sogar einen wütenden Song darüber. In „Chinese Fire Horse singt sie:

„Wait a minute wait a minute wait a fucking minute
Wait a minute

You say my time is over
That I have gotten old – SO OLD
That I no longer do it for you
And my face now leaves you coldYou say I’m looking heavy and I have lost my mind
That I should do the right thing by everybody
And I should just retire

But just a fucking minute
Who you talking to?

You must be mistaken or you are drunk
And failed to read the room
Yeah I might be much older –  SO MUCH older
Yeah yeah SO MUCH older than you
But I’ve still got the power in my brain and my body
I’ll take no shit from you“

Der Song beziehe sich auf ein Erlebnis während der Promotion zum letzten Garbage-Album „No Gods No Masters“, das 2021 veröffentlicht wurde, erklärt Shirley Manson. „Es war der erste Interview-Tag“, erinnert sie sich. „Ich war 53 Jahre alt. Wir promoteten unser siebtes Studioalbum auf einem Major-Plattenlabel. Ich war aufgeregt und hatte das Gefühl, in einer wirklich guten Position zu sein.“ Aber dann hätten sie im Laufe des Tages gleich zwei Journalist:innen – eine Frau und ein Mann – gefragt, wann sie denn in Rente gehen wolle. „Ich war ziemlich schockiert“, sagt Manson „Um ehrlich zu sein, war ich wirklich sprachlos. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass man diese Frage meinen männlichen Kollegen nicht stellen würde. Man würde einem Brett Anderson von Suede nicht fragen, ob er daran denkt, in Rente zu gehen. Man würde die Gallagher-Brüder nicht fragen, ob sie daran denken, bald in Rente zu gehen. Man würde nicht einmal meine Bandkollegen fragen.“ Diese Erkenntnis habe sie nicht losgelassen – und deshalb habe sie das wütende „Chinese Fire Horse“ geschrieben: „Es ist meine Antwort darauf, weil es immer noch so viel Sexismus und Frauenfeindlichkeit gegenüber Frauen gibt, nicht nur in der Musikindustrie, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Und das ist wirklich ermüdend.“

Shirley Manson empfindet eher Mitleid mit ihren Hatern

Wieder dieses Lachen, diesmal aber etwas galliger. „Ich bin alt genug und hässlich genug, dass mir das nichts mehr ausmacht. Es schadet mir nicht mehr. Ich nehme es mir nicht zu Herzen. Ich schüttle es buchstäblich ab. Aber es ist mir sehr wichtig, dass ich das anspreche, weil ich weiß, dass es jüngere Generationen von Frauen gibt, die in meine Fußstapfen treten, und ich möchte dazu beitragen, ihr Leben ein bisschen einfacher und besser zu machen als meines.“

Für die Leute, die sie persönlich auf diese Weise angreifen, haben sie eher Mitleid, sagt Shirley Manson, „weil es alles darüber aussagt, was sie in einer altersdiskriminierenden, sexistischen und frauenfeindlichen Gesellschaft gelernt haben. Und ich finde es traurig, dass sie immer noch an dieser bizarren Vorstellung festhalten, dass wir alle – nicht nur Frauen, sondern alle Geschlechter, auch Männer – mit 25 oder 30 irgendwie alt und am Ende sind. Ich spreche da aus Erfahrung, denn als ich 30 war, schrieb ein Großteil der Musikpresse, ich sei alt. Ich war 30 Jahre alt! Hätte ich damals auf diese Leute gehört, hätte ich keine weiteren 30 Jahre einer sehr intensiven Musikkarriere genießen können, die mich bis hierher gebracht hat. Weißt du, ich werde nächstes Jahr 60. Das sind 30 Jahre Arbeit, 30 Jahre Kreativität und 30 Jahre unbändige Freude.“

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Mit Liebe und Optimismus gegen die Dunkelheit

Das neue Album sieht Shirley Manson als Gegenstück von „No Gods No Masters“. Waren diese Lieder noch sehr dunkel, wütend und am Elend der Welt verzweifelnd, versucht sie auf „Let All That We Imagine Be The Light“ gegen diese Dunkelheit anzusingen. Trotzdem bleiben die heutigen Garbage politisch, was vor allem an Shirley Manson liegt. Die Band hat bis heute eine ungewöhnliche Arbeitsbeziehung – die aber zu funktionieren scheint. Als sich Manson von ihren Hüft-OPs erholte und zwischenzeitlich in eine unangenehme Schmerzmittelabhängigkeit rauschte, bat sie die Band, ohne sie Musik aufzunehmen. Sie schrieb später die Texte und nahm die Lieder ohne ihre Kollegen im Studio auf – und in Teilen auch in ihrem Schlafzimmer.

„Auf unserem letzten Album war ich sehr energisch und ziemlich wütend“, erklärt Manson. Hätte sie sich weiterhin in diese Stimmung hineingesteigert, wäre ihre mentale Gesundheit in Gefahr gewesen, meint sie. Außerdem seien viele schlimme Dinge, vor denen sie in „No Gods No Masters“ warnen wollte, in den Jahren danach schon passiert. Da nun etwas Positives entgegenzusetzen, sei für sie „eine Notwendigkeit. Ich glaube auch, dass es zu spät ist, wütend zu sein, zu schreien, zu warnen, zu mahnen. Stattdessen wollte ich etwas wirklich Schönes in die Welt setzen, etwas Zartes, Empathisches und Mitfühlendes.“

Gerade weil die Musik und einige Songtitel ein Stückweit gegen diesen optimistischen Drive arbeiten, wirkt „Let All That We Imagine Be The Light“ auf besondere Weise. Die Unruhe, die man morgen beim Lesen der Nachrichten auf dem Handy spürt, schwingt in den Liedern mit – und Shirley Manson kämpft mit ihren Lyrics dagegen an. Im Song „Radical“ singt sie dann starke Lines wie diese: „All you gotta do is save a life / IT’S RADICAL / Let all that we imagine be the light / It’s RADICAL.“

„Mich frustriert, dass es überall auf der Welt einen Rechtsruck zu geben scheint.“

Die politische Lage, vor allem in ihrer Wahlheimat USA, setzt ihr dennoch zu. „Es ist erschütternd“, sagt Manson. Resignieren wolle sie trotzdem nicht: Sie habe sich, vor allem nach den „Black Lives Matter“-Protesten und während der Pandemie gezielt privat weitergebildet, viel über Kolonialismus und Rassismus gelesen – all die Sachen, die sie damals in einer britischen Schule nicht gelernt hatte. Sie wolle sich mit Reflektion und Wissen und Kampfgeist rüsten. „Mich frustriert, dass es überall auf der Welt einen Rechtsruck zu geben scheint. Es gibt nur sehr wenige Länder, die eine demokratische, wohlwollende Regierung haben, die sich wirklich um ihre Bürger:innen sorgt und kümmert.“ Aber: „Ich glaube, wir sehen gerade einen globalen Prozess, der erst am Anfang ist. Wir erleben gerade den Untergang einer alten Welt, die von alten, weißen, mächtigen Männern für alte, weiße, mächtige Männer geschaffen wurde. Wir erleben die Wut und den Widerstand gegen alte Ideen, das alte Patriarchat. Wir erleben die Todeszuckungen des Turbokapitalismus – eines Systems, das zum Scheitern verurteilt und nicht nachhaltig war.“

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Die politische Rechte wirke gerade vor allem so stark, weil sich die Machthaber bedroht fühlten. „Sie versuchen bewusst, uns alle dazu zu bringen, einander zu hassen und uns auf unsere eigenen Interessen zu konzentrieren, ohne jemals das Leben anderer zu berücksichtigen – anderer Rassen, anderer Glaubensrichtungen, anderer Geschlechter, anderer Sexualitäten.“ Das Ziel sei es, Panik zu verbreiten, „damit wir von ihrem Versagen, ihrer gescheiterten Politik, ihrem Mangel an Vorstellungskraft und ihrer Weigerung, den Klimawandel anzuerkennen, abgelenkt werden.“

Shirley Manson weiß, dass diese Leute sehr geschickt darin sind, ein Narrativ in diese Richtung zu drehen. Aber, damit mein Text hier auch mit einer optimistischen Note endet: „Man kann nur eine gewisse Zeit lang in diesem Maße lügen und betrügen. Davon bin ich fest überzeugt. Ich muss daran glauben, dass wir das alles zum Guten wenden können, denn die Menschheit ist zu so viel Einfallsreichtum, Kreativität und Brillanz fähig. Wir können das schaffen, wenn wir uns alle gegenseitig die Hände reichen und unseren niedrigsten Instinkten widerstehen – unseren schlechtesten Gewohnheiten und Verhaltensweisen wie Gewalt, Hass, Vorurteile oder Intoleranz. Ich muss daran glauben, dass es eine Zukunft für die Kinder meiner Schwester gibt, und ich weigere mich, etwas anderes zu akzeptieren.“

Shirley Manson empfiehlt „allen, die Liebe in ihrem Herzen tragen“, dasselbe zu tun: „Widerstand zu leisten, seine Stimme zu erheben, zu protestieren, zu kämpfen.“

Am Ende des Interviews fühle ich mich ähnlich durchgeschüttelt wie damals nach meinen ersten Garbage-Konzerten. Denn Shirley Manson war nicht nur eine der faszinierendsten Stimme des 90er-Alternative-Rocks, sie ist es auch heute noch.

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