Support your Support Act! Warum wir wieder mehr Respekt zeigen müssen
Cro feiert Eli Preiss und nimmt sie in sein Vorprogramm. Eli reisst wie immer ab und gibt alles. Und trotzdem sieht man bei TikTok danach zahlreiche Clips, in denen einige Cro-Fans laut quatschen und Eli wenig Respekt zeigen. Da fragen nicht nur wir uns: „Geht’s eigentlich noch?!“
Deshalb hat unsere Autorin Johanna hier ein flammendes Plädoyer geschrieben, warum wir alle Support-Acts mehr Respekt zeigen sollten. Und sie hat herausgefunden, dass beim Eli-Gig mal wieder ein paar Idioten das Bild und die Diskussion auf TikTok prägten, obwohl vor Ort viele Fans von ihr eine gute Zeit hatten …
„Können wir es normalisieren, bei Voracts wenigstens versuchen mitzuviben?“ Ich scrolle an einem TikTok vorbei, das Eli Preiss zeigt, wie sie Anfang Dezember als Support-Act auf Cros „Cronicles“-Tour performt. Die Caption trifft einen Nerv. Rund 68.000 Likes, über 400 Kommentare – alle scheinen sich einig: Support-Acts bekommen nicht den Respekt, den sie verdienen. Als ich das Video sehe, spüre ich direkt diesen Kloß im Hals. Es erinnert mich an so viele eigene Erlebnisse – in der Crowd oder vor der Bühne – bei denen Support-Acts richtig mies behandelt wurden. Ich frage mich: Wann ist dieser Respekt verloren gegangen? Wann wurde der Voract zur Pflichtaufgabe, die man absitzt, bevor es „richtig“ losgeht?
Warum Eli Preiss mehr verdient hat
Als bekannter Eli Preiss-Fan kann ich nur sagen: diese Frau hat so einiges in Petto. Mittlerweile bereits vier glanzvolle Alben, sowie eine Vielzahl makelloser Singles und EPs schmücken ihre Diskografie. Die glühenden Beats, eine unverwechselbare Stimme und Texte, die irgendwo zwischen Herzschmerz, Empowerment und „Lass uns die Nacht zum Tag machen“ schweben. Die Künstlerin steckt unglaublich viel Emotion und Energie in ihre Tracks, und das spürt man auch bei ihren Liveshows. Obwohl ich bei der Cronicles-Tour nicht anwesend war, bin ich mir sicher – ihren Slot als Support-Act hat sie bestimmt genauso gerockt wie an den fünf Abenden, an denen ich sie selbst auf der Bühne sehen durfte.
Und trotzdem: Auf Cros Tour scheint das Publikum von dieser Energie kaum etwas zurückgegeben zu haben. Es gibt Berichte von Menschen, die einfach nur dastehen, aufs Handy starren oder sich lautstark unterhalten, während Eli alles gibt. Das tut weh – selbst wenn man nur davon hört. Ich war zwar bei der Tour nicht vor Ort, aber ich kann mir genau vorstellen, wie es war. Denn diese Situationen kenne ich. Ich stand schon in vielen Crowds, in denen Support-Acts beinahe komplett ignoriert wurden, oder mehr.
2022 erlebte ich Ähnliches, als Schmyt ebenfalls als Support für Cro auf der Bühne stand. „Wer bist du eigentlich?“, riefen Menschen aus der Crowd. „Geh bitte!“ oder einfach: „Cro! Cro! Cro!“. Genervte Blicke in der Crowd und ein heftiges Sideye für mich und meine Freundin, die die Show vom Pre-Act so richtig fühlten. Anstatt zuzuhören, warteten viele im Publikum bloß darauf, dass der Voract seine 30 Minuten pflichtbewusst hinter sich bringt und verschwindet – Hauptact oder Hauptsache vorbei. Aber auch vor allem kleinere Atists konnte ich beobachten, die in ihren Support-Slots nicht die verdiente Aufmerksamkeit bekamen. Teilweise so schlimm, dass die Gespräche im Publikum lauter waren als die Musik von der Bühne.
Von Standing Ovations zu Standbildern: Früher war das doch anders, oder?
Mein erstes Konzert war 2013 – ironischerweise ein Cro-Konzert. Damals war ich 14 und Support-Acts waren für mich ein zusätzliches Highlight. Klar, ich wusste oft nicht, wer da auf der Bühne stand, aber das war mir egal. Wer bei „meinem“ Künstler spielen darf, kann doch nur gut sein, dachte ich. Und meistens hatte ich recht. Auch die Menschen um mich herum haben geklatscht, mitgevibed und dem Act eine Chance gegeben. Neue Musik zu entdecken war ein Teil des Abends. Mittlerweile merke ich, dass sich etwas verändert hat. Vielleicht liegt es an der Pandemie-Pause, in der einige verlernt haben, Musik live zu erleben. Vielleicht liegt es auch an der inflationären Content-Creation auf Social Media. Heute wirkt es oft so, als wäre das Konzert nur noch die Kulisse für den perfekten Clip, den man später hochladen kann. Da möchte ich auch gar keine Age-Gap aufmachen, denn aus meiner Erfahrung benehmen sich hier Boomer bis Gen Alpha nicht unbedingt verschieden, wenn es um die Ablenkung vom eigentlichen Programmpunkt geht.
Aber gehen Fans wirklich nur noch auf ein Konzert, um ein Snippet eines TikTok-Sounds auf ihrer Seite zu posten und potenziell viral zu gehen? Das kann ich mir schwer vorstellen. Schließlich stimmen mir laut des anfänglich erwähnten TikToks beinahe 70.000 Musikfans zu.
Eli Preiss bleibt cool
Eli selbst nimmt die Situation gelassen. Sie reagiert auf TikTok souverän, wie man es von ihr gewohnt ist: „Das Ding ist: Ich hab 30 Minuten lang the time of my life. Ich liebe, was ich mache, Carlo feiert, was ich mache und hat mir diese Chance gegeben. Mein Selbstwert wird nicht von Zahlen, einem Mann oder einer Crowd bestimmt, sondern von mir ganz allein.“ Ein paar Tage später folgt noch ein Video, das massenhaft Handylichter in der Crowd zeigt, und damit den Support, der ihr sehr wohl auch gegeben wird: „Es wird mir doch eh auch so viel Liebe gezeigt bei den Cro Support Shows (…) ! Blessed.“
Eli Preiss hat also im Gegensatz zu ihren Fans nicht das Gefühl, keinen Support abzubekommen und saugt die Energie ihrer Liveshows auf. In einer Rückmeldung ihres Labels wird uns auch versichert, dass die Künstlerin Verständnis dafür aufbringt, dass mehr Energie für den Headliner da ist, als für den Voract. Eli zeigt damit Haltung und Stärke – aber sollte es wirklich an den Künstler:innen liegen, sich solchen Situationen anzupassen? Ist es zu viel verlangt, 30 Minuten lang aufmerksam zu sein? Es geht doch um die Musik, oder nicht?
Support-Act und Support-Gap: Ein bitterer Beigeschmack
Die unreife Kirsche auf dem Eisbecher mit Gefrierbrand, der sich Musikindustrie nennt, schmeckt dann doch wieder einmal bitterer als gedacht. Denn da gibt es noch einen Grund, warum die Gelassenheit bei der Sache nicht ganz durchdringt. Bei der Cronicles-Tour war Eli Preiss nicht der einzige Voract. Die Anzahl an Tourstopps teilte sich die Künstlerin zusätzlich mit den Indie-Poppern Ennio und Zartmann. Und wie sich online ablesen lässt, schien deren Publikum ein ganzes Stück besser gelaunt gewesen zu sein. Klar, Unterschiede in Streamingzahlen spielen hier vermutlich auch eine Rolle. Aber dass Eli – als einzige Frau unter den drei Acts – die scheinbar schlechteste Stimmung abbekommen hat, hat abermals einen bitteren Beigeschmack. Online wird das weitergetragen, indem anstatt über ihre Musik oder Performance lediglich darüber geredet wird, was an dem Abend falsch lief.
Das wurde besonders deutlich, als Eli ihren Feature-Partner Makko auf die Bühne holte. TikTok-Videos sagen: Plötzlich war die Crowd wach. Die Hände gingen hoch, die Stimmen wurden laut. Ein Mann betritt die Bühne und die Energie ändert sich schlagartig. Hier schwingt wohl mehr mit als Desinteresse. Misogynie, die in der Musikszene nach wie vor omnipräsent ist, zeigt sich eben nicht nur in Festival-Line-ups oder Playlists, sondern eben auch in der Art, wie Künstlerinnen auf der Bühne behandelt werden.
30 Minuten für die Kunst – und vielleicht fürs Herz
Support-Acts sind keine Pflichtaufgabe, kein Lückenfüller, kein „Muss halt sein“. Sie sind die Künstler:innen, die in ein paar Jahren vielleicht selbst die Hallen als Hauptacts füllen. Vielleicht hat die Band, die du vor zehn Jahren ignoriert hast, heute deine Lieblingsplatte geschrieben. Vielleicht performt der oder die nächste große Star gerade vor dir, während du aufs Handy starrst. Respekt ist keine Frage des Bekanntheitsgrades. Respekt ist die Grundlage für jede Show, für jede Bühne, für jede Person, die den Mut hat, sich dem Publikum zu stellen. Und mal ehrlich: 30 Minuten Aufmerksamkeit schaffen wir doch alle.
Eli Preiss hat schließlich nicht nur Cro beeindruckt, sondern auch Zehntausende ihrer Fans – die es verstanden haben, dass gute Musik nicht immer viral gehen muss, um uns zu berühren. Lasst uns also den Support-Acts wieder die Bühne geben, die sie verdienen.
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