US-Wahlen: Wer singt für die Demokraten und wer für die Republikaner?
Im Wahlkampf der USA treten immer häufiger bekannte Gesichter aus der Musikwelt hervor und beziehen offen Stellung zu den beiden großen Parteien. In einer zunehmend polarisierten politischen Landschaft entscheiden sich Artists wie Taylor Swift und Billie Eilish für öffentlich bekundete Unterstützung, während sich andere wie Chappell Roan bewusst neutraler positionieren und ihren Einfluss vorsichtig dosieren. Von prominenten Unterstützer:innen der Demokraten bis zu leidenschaftlichen Trump-Befürwortern: dieser Artikel beleuchtet, wie Künstler:innen ihre Plattformen nutzen, um den politischen Diskurs mitzugestalten und Fans zu mobilisieren. Welche Stimmen treten hervor, welche bleiben zurückhaltend, und beeinflusst all das überhaupt den Wahlausgang?
Lange Tradition: Wenn Präsidenten die Playlist der Nation kuratieren
Der Einfluss von Musik auf den Wahlkampf in den USA ist dabei längst zur Tradition geworden. Das öffentliche Bekenntnis zu einer der beiden großen Parteien, sei es auf der Bühne oder in den sozialen Medien, ist ebenso fester Bestandteil des politischen Geschehens, wie die Wahlkampf-Rallyes selbst. So begleitet die Unterstützung durch Musiker:innen seit Jahrzehnten den politischen Wettstreit und trägt dazu bei, die Massen zu mobilisieren und die Reichweite der Kandidaten zu vergrößern.
Werfen wir einen Blick auf die Geschichte der Verknüpfung von Musik und Präsidentschaftswahlen, kommen wir unweigerlich ins 18. Jahrhundert. George Washington übernahm als erster Präsident der USA die Melodie des britischen „God Save The King/Queen“ und verwandelte sie kurzerhand in die Hymne „God Save Great Washington“, die ihm selbst gewidmet war. Die erste prominente musikalische Unterstützung in einem Wahlkampf kam jedoch erst 1960 ins Spiel: John F. Kennedy machte Frank Sinatras „High Hopes“ zum offiziellen Kampagnensong – ebenfalls mit Textanpassung. Einige Jahre später setzte Ronald Reagan auf „Born in the USA“ von Bruce Springsteen. Der vermeintlich patriotische Song stellte sich jedoch als kritische Auseinandersetzung mit dem Vietnamkrieg und der US-Regierung heraus. Etwas danebengegriffen, Ronald.
1992 griff Bill Clinton dann auf Fleetwood Macs „Don’t Stop“ zurück, um Fans der Band für seine Kampagne zu gewinnen. Der Republikaner George W. Bush musste sich im Jahr 2000 hingegen nach Protesten von Tom Petty von dessen Song „I Won’t Back Down“ verabschieden. Acht Jahre später wurde „Signed, Sealed & Delivered“ von Stevie Wonder zum Soundtrack für Barack Obamas Wahlkampfveranstaltungen – begleitet von einer massiven Unterstützung aus der Popkultur. Bruce Springsteen, Beyoncé und Katy Perry sprachen sich öffentlich für die Demokraten aus. Dank sozialer Medien wie Instagram oder X (ehemals Twitter) ist es heute für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einfacher denn je, ihre politischen Ansichten direkt mit Millionen von Fans zu teilen.
Von Cats und Brats: Diese Artists stehen hinter Kamala Harris
Auch bei den Wahlen 2024 äußern viele Musiker:innen zu den Kandidat:innen. Die Unterstützung für die Demokratische Partei blieb zu Beginn des Wahljahres zunächst ungewöhnlich ruhig. Als Joe Biden noch der offizielle Kandidat war, äußerten siche nur wenige Künstler:innen politisch. Der Wechsel von Präsident Joe Biden zu Vizepräsidentin Kamala Harris brachte jedoch eine deutliche Wende. Zuvor hörte man nur vereinzelt prominente Stimmen wie die von Lizzo oder Queen Latifah. Jetzt, kurz vor dem Wahltermin am 5. November, werden immer mehr bekannte Persönlichkeiten laut.
Unterstützung von Taylor und den Swifties
In einem lang erwarteten Zug ließ Pop-Ikone Taylor Swift am 10. September auf Instagram ihre Unterstützung für Kamala Harris verlauten – und das nur Minuten nach einer Debatte zwischen Harris und Trump. „Ich werde für @kamalaharris stimmen, weil sie für die Rechte und Anliegen kämpft, die meiner Meinung nach eine starke Kämpferin brauchen,“ schrieb Swift, begleitet von einem Foto mit ihrer Katze Benjamin Button. Damit wurde die Künstlerin nicht nur politisch aktiv. Ihre Botschaft der Unterstützung kam zusammen mit einem nicht ganz subtilen Hinweis auf die frühere Aussage des republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten JD Vance im Jahr 2021. Der bezeichnete damlas bekannte Demokratinnen als „einen Haufen kinderloser Cat Ladies, die mit ihrem eigenen Leben und ihren Entscheidungen unzufrieden sind und den Rest des Landes genauso unglücklich machen wollen.“
Taylor Swifts „Endorsement“, wie es in den USA genannt wird, machte anscheinend den Weg für weitere Artists frei, sich politisch zu positionieren. So äußerte sich daraufhin auch Stevie Nicks als selbsternannte „kindelose Hundemama“ für Kamala Harris. Und natürlich waren auch Swifties nicht unberührt von der lauten Stimme ihres Idols. Denn die Sängerin kann scheinbar zusammen mit ihren Fans nicht nur ganze Erdbeben auslösen, sondern auch die Wahlbeteiligung drastisch erhöhen. Taylors Unterstützungspost veranlasste „mindestens 337.826 Nutzer“, die Seite vote.gov zu besuchen, berichtete CBS News. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass sie Künstlerin enormen Einfluss auf die Wahlbeteiligung ihres Publikums hat.
Billie, Charli und der blaue Esel
Taylor Swift steht damit jedoch nicht allein: Neben ihr unterstützen auch Musikgrößen wie Eminem, Billie Eilish und ihr Bruder Finneas, sowie Charli xcx die Demokraten. Am National Voter Registration Day 2024 riefen Billie Eilish und Finneas ihre Fans dazu auf, für Harris zu stimmen, um gegen „Extremisten“ und die „gefährliche Agenda des Project 2025“ zu gewinnen. „Wir stimmen für Kamala Harris und Tim Walz, weil sie für den Schutz unserer reproduktiven Freiheit, unseres Planeten und unserer Demokratie kämpfen,“ sagt die Sängerin. „Geht wählen, als hinge euer Leben davon ab,“ fügt Billie dann noch in dem Video hinzu, „Denn das tut es.“
Unterstützung für Kamala kommt aber nicht nur von innerhalb der US-amerikanischen Landesgrenzen. Obwohl die britische Sängerin Chali xcx wohl kaum ihre Stimme in den amerikanischen Wahllokalen abgeben wird, zeigt sie dennoch ihren Support. Denn nachdem auch das Team um Kamala Harris offenbar einen Brat-Sommer erlebten, tauchten sie ihren Header auf X (Twitter) in ein leuchtendes „Brat“-Grün. Charli xcx antwortete darauf schlicht: „Kamala IST brat“. Der politische Rückenwind für Harris wird auch aus dem US-Außengebiet Puerto Rico stark: Der Musiker Bad Bunny stellte sich am 27. Oktober auf Instagram gegen Trumps Umgang mit den Hurrikanschäden auf der Insel und nahm Harris öffentlich in Schutz. Der puerto-ricanische Sänger Ricky Martin unterstützte dies, indem er am selben Tag Videos von Harris und Michelle Obama teilte und seine politische Position deutlich machte.
Aber auch Artists wie Olivia Rodrigo, Bon Iver, Ariana Grande, Cardi B oder Kesha (und mehr) sprechen sich für die Demokratische Partei aus. Und auch Beyoncé gibt ausdrückliche Zustimmung bei einem Wahlevent am 25. Oktober in Houston, nachdem sie ihren Song „Freedom“ zu Zwecken der Harris-Kampagne frei gab.
Kid Rock, DaBaby und Azealia Banks für Trump
Aber es gibt auch Unterstützer:innen der Republikaner aus der Popkultur, die sich öffentlich bekennen. Kid Rock zählt beispielsweise zu den lautstärksten musikalischen Unterstützern von Trump. Bevor er im Juli zu Ehren des republikanischen Kandidaten auf der Republican National Convention auftrat, bezeichnete der Musiker Trump in einem Video auf Social Media als „unseren bewährten, rot-weiß-blauen, zu 100 Prozent amerikanischen badass Präsidenten.“ Schon zuvor sprach er in einem Interview mit dem Rolling Stone im Mai offen über seine Unterstützung für Trump (in welchem er übrigens auch mehrfach das N-Wort verwendet haben soll). „Glaubst du, ich mag Trump, weil er ein netter Kerl ist?“ sagt Rock, „Ich wähle doch keinen Kirchenvorsteher. Dieser Motherf–ker will gewinnen. Er schummelt beim f–king Golfspiel. So jemanden will ich in meinem Team. Ich will den Kerl, der sagt: ‚Ich kämpfe an deiner Seite.‘“
Neben Kid Rock stehen auch Artists wie Billy Ray Cyrus, DaBaby, Lil Pump, M.I.A., Kodak Black, Amber Rose, Azealia Banks und Kanye West auf der Seite von Trump. Einige Stimmen meinen, der Rapper 50 Cent hätte sich ebenfalls auf Trumps Seite geschlagen. Dieser hatte sich keinem Endorsement hingegeben, seine mutmaßliche Zustimmung aber etwas subtiler ausgedrückt. Denn nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump verwendete der Rapper das Gesicht des ehemaligen Präsidenten auf seinem Albumcover zu „Get Rich or Die Tryin‘“. Mit den Worten “Es wird auf Trump geschossen und jetzt trende ich wieder“ veröffentlichte er das Bild auf Instagram, welches inzwischen gelöscht wurde. Diese Aussage ist darauf zurückzuführen, dass 50 Cent selbst in der Vergangenheit Opfer eines geplanten Attentats wurde und dies in seinem Album-Tack „Many Men (Wish Death)“ verarbeitete. Ob hinter dem Posting also wirklich ein Endorsement oder eher die Liebe für Memes steht, sei dahingestellt.
Chappell Roan, blau oder rot?
Für manche ist die Entscheidung klar, wen der Kandidat:innen sie unterstützen und warum. Doch nicht jeder kann oder will sich so eindeutig positionieren. Das Thema des unfreiwilligen politischen Drucks beschäftigt Künstler:innen schon länger. Bereits 2020 unterzeichneten Mick Jagger, Keith Richards, Elton John, Lionel Richie, Pearl Jam und Sheryl Crow einen offenen Brief, der genau dies anprangerte. Sie wollten verhindern, dass ihre Namen oder Musik ohne Zustimmung politisch vereinnahmt werden und setzten mit ihrer Unterschrift ein Zeichen gegen die unerwünschte Verwendung ihrer Identitäten in politischen Kampagnen.
Die genannten Artists sind jedoch nicht die einzigen, die eine politische Positionierung in der Öffentlichkeit mit kritischem Auge betrachten. Vor allem die Überfliegerin des Jahres, Chappell Roan, sprach sich auf ihrem TikTok-Account dagegen aus. Nachdem die Künstlerin nach längerem Schweigen zur anstehenden Präsidentschaftswahl Kritik einfahren musste, äußerte sie sich in Form eines Videos zu dem Thema. Nach eigenen Angaben werde sie zwar Kamala Harris wählen, jedoch könne sie sich nicht zu 100% auf die Seite der Demokraten stellen. „Fick die Prinzipien der Rechten, aber fick auch manche Ansichten der Linken. Deshalb kann ich nicht eine Seite komplett unterstützen und meinen ganzen Namen und mein Projekt dahinterstellen,“ sagt die „Good Luck, Babe“-Sängerin auf TikTok, „Unterstützen und wählen sind zwei völlig verschiedene Dinge.“
Einfluss auf das Wahlergebnis?
Letztlich ist es kein Wunder, dass Musiker:innen in den USA im Wahlkampf eine solch große Rolle spielen – ihre Worte erreichen Millionen, ihre Botschaften prägen den Diskurs. Während einige ihre Zustimmung klar und lautstark äußern, kämpfen andere um ihre Neutralität und entscheiden sich für die Stimmabgabe ohne öffentliche Unterstützung. Diese Balance zwischen politischem Engagement und individueller Positionierung spiegelt den heutigen Zeitgeist wider: den Wunsch nach Veränderung, aber auch nach einer persönlichen Abwägung der Werte. Im November werden wir sehen, welchen Einfluss die lauten und die leisen Stimmen der Musikszene tatsächlich auf die Wahl nehmen.
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